Aus dem Schreibleben: Fanfiktion vs. Original Story

Fanart der zukünftigen Sailor Star Fighter aka Kou Seiya zum Ende meiner Fanfiktion. (Rechte gehören Naoko Takeuchi)

Eine Fanfiktion ist eine besondere Sache für sich

Der Weg einer Autorin ist sehr lang und nicht immer einfach. Umso schöner finde ich, wenn wir in der Community unsere Erfahrungen teilen können. Ich habe zwar immer mal überlegt, wo ich da anfange, denn ich habe selbst schon einige Steine aus meinem kreativen Weg geschleppt, doch einen richtigen Ansatz hatte ich nicht. Ich bin viel zu begeisterungsfähig, um mich strickt auf etwas festzulegen. Eine Hilfe waren die Impulse, die aus der Schreibcommunity kamen. Die liebe Miriam hat auf ihrem Instagramkanal im Rahmen der #writers_journey ein paar Themen für den Oktober vorgeschlagen, zu denen wir uns schreibtechnisch äußern und unsere Erfahrungen teilen können. Eines davon ein häufiger Diskussionsgegenstand: Fanfiktion vs. Original Story. Fanfiktions sind von den Fans erdachte Geschichten zu einem Originalwerk. Darin werden Handlungsstränge ergänzt oder verändert, Charaktere dazugedichtet oder weggelassen, sowie Plotlöcher gestopft. 
Es ist eine Thematik, die mir sehr am Herzen liegt, denn ich habe sehr viel Zeit und Arbeit in meine eigenen Fanfiktions gesteckt. Diesbezüglich habe ich eine starke Meinung und wäre bestimmt nicht die Autorin, die ich heute bin, hätte ich nicht die letzten vier Jahre mit Fanfiktion schreiben verbracht. Doch lest selbst, was ich über das Thema denke. 

Ich bin ein großer Verfechter von Fanfiktions und finde, dass man sich auch in diesem Bereich Autor nennen kann, wenn man es ernst mit dem Schreiben meint. Sie haben ihre Daseinsberechtigung, auch wenn es natürlich auch Schriftstücke gibt, die nur existieren, um das Fanherz auf Teufel komm raus zu befriedigen. Diese Geschichten lasse ich einmal außen vor, da ich so etwas nicht lese. Ich befasse mich mit ernsthaften, kreativen und intensiven Beschäftigungen eines Fandoms. So wie ich es getan habe. (Und ich werde auch heute noch nicht müde, eine ganze Wissenschaft daraus zu machen.) Bei mir geht es aus vollem Herzen um das Universum von Sailor Moon. Eine Geschichte, die viele noch aus ihrer Kindheit kennen sollten und die mit sehr vielen liebenswerten Charakteren, offenen Plotlöchern sowie Ungereimtheiten daherkommt. Perfekt für Fans, um ihre eigene Fantasie fliegen zu lassen. Auch ich bin dem verfallen, nachdem ich zu Coronazeiten in Sailor Moon meinen Safe Place fand - meine Feel Good Geschichte, in der ich mich auch sehr lange versteckte. Mein Leben war damals nicht leicht. Ich hatte die Verbindung zu mir selbst und meinem Lebensweg verloren. Und ich wage es auch zu sagen, dass Sailor Moon mich gerettet hat, denn nachdem ich wieder vollends im Fandom angekommen war, konnte mein inneres Kind anfangen zu heilen. Genau das habe ich damals gebraucht und es hat sich definitiv gelohnt, denn ich wäre heute definitiv nicht hier, wo ich jetzt in meinem Schaffen stehe, wenn ich nicht begonnen hätte Sailor Moon Fanfiktions zu schreiben. Das habe ich über vier Jahre getan. Ich überstand nicht nur eine sehr schwere Zeit, in der ich fast komplett aufgehört hatte zu schreiben. Ich fand mich selbst sowie meine Seelenschwester und entdeckte die Liebe zum Schreiben wieder. Es begann mit einer Kurzgeschichte zu einer meiner Lieblingsfolgen. Das steigerte sich zu einer längeren Geschichte, in der ich eine Sage mit in das Fandom flocht, basierend auf einen fremden Planeten, zu dem es wenige Infos im Canon-Bereich gab.
Ich hatte Blut geleckt und wollte die Geschichte meines Lieblingscharakters aus Sailor Moon (Sailor Star Fighter) aus meiner Sicht erzählen. In dieser wollte ich alle offenen Fragen aus Manga und Anime für mich beantworten und mir erschreiben, wie es nach dem Ende der letzten Staffel weitergehen könnte. Tales of Starlight war geboren und wurde zu meinem bisher größten Schreibprojekt. Es wurde eine Trilogie daraus, in die ich drei Jahre meines Lebens investierte. Und das war definitiv keine verschwendete Zeit. Ich lernte so viel. Nicht nur über mich selbst, sondern auch über mein Schreiben und meine Fantasie. Ich entwickelte für die Story eigene Charaktere und eine ganz neue Welt für den Heimatplaneten Sailor Star Fighters, der im Anime/ Manga nur Erwähnung fand. Ich versank in dieser Welt und im Schreiben wuchs ich.

Von der Fanfiktion zur eigenen Story

Angetrieben von diesem Schreibfluss begann ich nun auch eigene Original Storys zu entwickeln. Doch alle kamen nicht über das Ideenstadium hinaus, weil mein Herz zu sehr an den Charakteren und Ideen hing, die ich eigens für die Fanfiktion entwickelt habe. Dazu gehört auch Kikai Ongaku - eine starke, realitätsnahe Frau, die plötzlich mit der Magie des Lebens und des Universums konfrontiert wird. Sie sollte eigentlich nur ein Nebencharakter sein und als Managerin der Band ThreeLights fungieren (die Band gibt es im Manga und Anime wirklich). Doch wie es mit eigenen Charakteren so ist… Sie entwickeln ein Eigenleben. Und Kikai hat mir mehr als deutlich gemacht, dass sie mehr als nur ein Fanfiktion Charakter ist. In all den Jahren ist sie zu meinem Alter Ego geworden. Sie hat viele Eigenschaften, die ich gern hätte, aber vereint auch viele Gedanken, mit denen ich mich herumschlage. Sie ist ein großer Teil von mir und ich brachte es nicht übers Herz die Fanfiktion zu beenden, ohne für sie einen zukünftigen Plan zu haben. Wir kämpften uns beide frei und fanden uns in einem neuem Storyuniversum wieder. Dieses Mal keine Fanfiktion. Ursprünglich sollte es nur eine Urban Fantasy Trilogie werden … es ist aber auch Stoff da für ein Pre- und ein Sequel. Fuchsfeuer entstand aus einer simplen finnischen Sage und avancierte zu einer Geschichte über die Erhaltung der Magie in unserem Leben, unsere Verbindung zum Universum sowie die Schwierigkeiten und Stärken menschlicher Beziehungen. Kikai ist nun eine der Protagonisten. Ihre Backstory aus der Fanfiktion habe ich etwas verändert und an meine Geschichte angepasst. Zudem wanderten einige Ideenimpulse aus der Fanfiktion ebenfalls in die neue Story. (Nur die, die auf meinem Mist gewachsen sind). Die Sailor Moon Fanfiktion hat mir also nicht nur viele Ideen mitgegeben, sondern auch mein Seelenheil erhalten. Dafür bin ich sehr dankbar.

Hätte ich diese Fanfiktions nicht geschrieben dann:

  • hätte ich meine Liebe zum Schreiben nicht wiedergefunden (der Sinn meines Lebens)

  • hätte ich mich nicht mit Charakterentwicklung und Storyaufbau beschäftigt

  • hätte ich einen mir sehr wichtigen Menschen nicht kennengelernt

  • hätte ich meine queere Seite nicht entdeckt

  • wäre ich nun nicht geschieden

  • hätte ich nicht im Rahmen eines Schreibwettbewerbs mein erstes selbst illustriertes Buch geschrieben

  • hätte ich letztes Jahr nicht zusammen mit der lieben Annika, Julia und vielen anderen Autoren*innen die Tierschutzanthologie verwirklicht

  • gäbe es meine Kurzgeschichte, mit der ich meine Trennung und meine queere Seite verarbeite, nicht

  • hätte ich diese Kurzgeschichte nicht dem Weltenbaumverlag für ihre LGBTQ+ Anthologie zusenden können

  • würde besagte Kurzgeschichte nicht ein Teil dieser Anthologie sein und ich somit meinen ersten richtigen Verlagsvertrag unterschreiben können 

  • wäre ich nun nicht Teil zweier Schreibgruppen und eines Buchclubs

  • hätte ich mein Leben jetzt nicht komplett dem Schreiben und der Kreativität verschrieben

Es war keine leichte Zeit und ein weiter Weg, aber für mich hat er sich definitiv gelohnt. Das Fanfiktio schreiben hat mir sehr viel übers Schreiben beigebracht, ebenso wie mein Schreibprozess und meine Ideenfindung funktionieren. Wenn ich jetzt bei Fuchsfeuer festhänge, dann rekapituliere ich die Schreibzeit der Fanfiktion und nehme mir den Stress heraus. Ich bin kein Plotter, der alles von vorne bis hinten druchplant. Viele Ideen kommen mir während des Schreibens und daran erinnert mich die Fanfiktion jedes Mal. Sie hilft auf jeden Fall, das Handwerk zu lernen und ein Gefühl dafür zu bekommen. Ich sehe Fanfiktions ein wenig als autodidaktische Ausbildung für angehende Autoren. Du bekommst Starthilfe mit bestehenden Storyuniversen und kannst dich in einem sicheren Rahmen - ohne Druck - ausprobieren. Für mich ist es zudem die Würdigung der Arbeit des Urhebers, in dem ich seine Welt weiterleben lasse. Mir hat es am Ende jedoch gezeigt, dass ich doch etwas ganz eigenes kreieren möchte. Und da liegt der Vorteil deiner eigenen Story: du hast die komplette Kontrolle, alles, was du schaffst, ist dein Eigentum und du kannst es auch zu Geld machen. Schreibe die Geschichte, die du gerne lesen möchtest. Das ist einer meiner Leitsprüche, mit denen ich heute arbeite. Dass er nicht verkehrt ist, zeigt mir, dass mein eigenes Storyuniversum wächst und meine Art zu schreiben wirklich auch im professionellen Bereich Anklang finden können. Ich habe so viele Gedanken, die ich teilen möchte und dafür reicht mir der Rahmen einer Fanfiktion nicht aus.

Nachteile des Fanfiktionschreibens

  • Du bist immer an einem vorgegebenen Rahmen gebunden (Canon im Story- und Charakterbereich)

  • Das Veröffentlichen von Fanfiktions ist eigentlich illegal, wird aber von den Urhebern geduldet, weil sie sich nicht gegen ihre eigenen Fans stellen wollen. Es ist ja eine Art kostenlose Marketingquelle für den Urheber. (Doch die wenigsten Fans wollen dem Urheber etwas Böses. Ob am Ende schlecht geschrieben oder nicht - es ist ein Ausdruck ihrer Begeisterung für das Originalwerk.) 

  • Vorsicht jedoch bei Fanfiktions über reale Personen wie Bands oder Schauspieler. Das könnte das Persönlichkeitsrecht verletzen, auch wenn vieles auch einfach abgewunken wird.

  • Du darfst damit kein Geld verdienen, obwohl schon sehr bekannte Bücher aus Fanfiktions entstanden sind.

  • Leider wird der Fanfiktionbereich genutzt, um einfach nur merkwürdige Fanfantasien in die Welt zu setzen.

  • Diese kommen oft auch ungefiltert und in mangelnder Qualität daher, was den Ruf der Community schadet.

Wichtig ist vor allem, beim Hochladen von Fanfiktions mit Respekt und Würdigung dem Urheber und seinem Originalwerk entgegenzutreten. Und am Ende gilt - egal ob jemand ernsthaft Autor werden möchte und damit sein Geld verdienen möchte: Habt Spaß und genießt das Kreativsein, denn das ist von Menschen gemachte Magie.

P. S. Zu jedem meiner (Fanfiktion)Trilogie Teile, gibt es auch je ein Fanart, was ich dir natürlich nicht vorenthalten möchte. Thematisch natürlich passend zur Geschichte. An alle Sailor Moon und vor allem Sailor Starlights Fans: Schaut gerne mal auf meinem Profil auf Fanfiktion.de vorbei.

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