Schreibtreff Textoase: Im Dialog mit der inneren Stimme
Zuhören
“Deine kreative Stimme zählt.”
“Folge deiner inneren Stimme.”
“Gib deinem inneren Ich eine Stimme.”
Das sind nur ein paar Phrasen, die ich so oder so ähnlich immer mal lese. Sie vermitteln ein wichtiges Thema, was aber leider nicht in ein paar Worten beschrieben ist. Die heutige Gesellschaft ist so laut, dass es wahnsinnig schwer ist, all die Stimmen und Geräusche zu sortieren. Wir leben in einer Welt voll blinkenden und einfach erreichbaren Input, der uns wie Glühwürmchen von uns selbst wegzieht. Die Folge: Trennung von dem, was gut tut und wer wir eigentlich sind. Trennung vom Hier und Jetzt. Ganz analog, ohne viel Schnickschnack. Dieses Abschalten ist unabdingbar, da deine innere Stimme sonst in den vielen lauten und manchmal auch nichtssagenden Stimmen der Welt nicht zu hören ist. Doch das, was sie zu sagen hat, ist ungemein wichtig, denn es geht um dich. Um deine Träume. Um deinen Lebensweg. Weißt du, was deine innere Stimme dir erzählen möchte? Du solltest dem nachgehen, denn kein anderer kann dir das sagen. Und meistens ist es sowieso nur ein Gefühl, ein flüchtiger Gedanke in einem Dschungel voller Gedankenaffen. An jeder Ecke gibt es Dinge, die um unsere Aufmerksamkeit kämpfen, uns von dem ablenken, was uns wirklich wichtig ist.
Lange habe ich einen Weg zurück zu mir gesucht. Ich habe ihn auch noch nicht gefunden. Aber mit klitzekleinen Schritten komme ich ihm näher. Es klingt banal und abgedroschen, aber es ist so ein Gefühl. Eine Andernanderreihung von Impulsen. Mein Problem ist, sie von der Angst zu unterscheiden, die mir einreden will, dass ich manche Dinge nicht schaffe, dass ich nicht gut genug bin, dass etwas sinnlos ist und dass ich auf dem Holzweg bin. Deswegen schickt sie mich von einer Sache zur nächsten, kommt immer wieder mit neuen Ideen um die Ecke, nur damit ich mich nicht auf meinen Kern konzentrieren kann. Meine innere Stimme nuschelt sehr oft und hat manchmal auch etwas Sorge, mir zu sagen, was sie möchte, wenn ich mich mal wieder - von meiner Unsicherheit getrieben - auf etwas eingeschossen habe. Ich weiß, am Ende führt sie mich zuverlässig, doch dafür sollte ich ihr Raum einräumen, mir ihre Sichtweise der Dinge darzulegen..
Ehrlicherweise kann ich dir nicht sagen, wie du mit deiner inneren Stimme in Kontakt trittst. Meistens sucht sie sich von selbst ein Outlet, wenn du sie lässt. Bei mir ist es Kreativität. Malen, Gestalten, aber vor allem Schreiben. Letztere ist meine große Liebe, auch wenn wir nicht immer dieselbe Sprache sprechen. Meine Fantasie ist mein Safe Place. Dort verbringe ich manchmal auch zu viel Zeit. Warum, weil ich nicht das Gefühl habe, in die schnelle, hektische und oberflächliche Welt zu passen. Dort suche ich noch meinen Platz. Am liebsten würde ich bei vielem einfach mal die Handbremse ziehen, damit unsere wertvolle Energie nicht an all die Technik verschwendet wird. Diese kriegen wir nie wieder zurück. Verstehe mich nicht falsch: Als Mediengestalterin weiß ich unsere modernen Errungenschaften durchaus zu schätzen, doch müssen wir ganz stark aufpassen, dass das alles nicht in eine völlig verkehrte Richtung driftet. Immer mehr, immer größer, immer schneller. Ehrlich… mir geht da langsam die Puste aus. Zudem liegt mir das Gefühl schwer auf der Brust, nicht genug und einfach nur merkwürdig zu sein. Kein Wunder, dass ich die Stille scheue und mit gemischten Gefühlen auf das sehe, was da tief in mir steckt. Ich würde meinem inneren Ich sehr gerne begegnen, auch wenn ich Sorge habe, mir Dinge einzugestehen, die mich von meinen Visionen entfernen. Ich kann mir so viele Dinge vorstellen. Ja, ich kann mir auch meine innere Stimme als schimmernden Orb in einem geheimen Universum vorstellen, der immer dann energetische Wellen schlägt, wenn ich auf dem richtigen Weg bin. Zumindest ist es so in meinem Roman “Fuchsfeuer”. Wenn mein Taiji-Coach am Ende der Übung meint “Bedanke dich bei deinem Körper und schenke deinen Organen und Millionen Teilchen ein Lächeln”, dann lächle ich und stelle mir vor, wie sie zurücklächeln. Das ist immer wie ein Film oder ein Comic. Ja, manchmal stelle ich mir vor, wie in meinem Körper Millionen kleiner Minions umherhüpfen, einfach nur ihr Bestes tun und sich jubelnd freuen, wann immer sie Aufmerksamkeit von mir erhalten. Mache ich eine QiGong Übung habe ich passend zum Namen der Form Bilder im Kopf. Am liebsten würde ich sie alle aufzeichnen.
Auch wenn ich an meinem Roman schreibe, durchströmt mich der Wunsch, alles zu illustrieren, damit der Leser die Bilder sieht, die ich mir vorstelle. Ich kann nicht anders. Sowas läuft bei mir auf Autopilot. Und da liegt das Problem. Zum einen möchte das mancher Leser auch einfach nicht. Sie bedienen sich viel lieber ihrer eigenen Vorstellungskraft. Was natürlich nur verständlich ist. Zum anderen sind es Impulse, die mich am Ende nur stressen, denn ich bilde mir ein, für ein gänzlich illustriertes Buch nicht gut genug zu sein. Da grüßt der Perfektionismus. Und der verträgt sich ganz und gar nicht mit meiner inneren Stimme. Das ist wie als würdest du gleichzeitig das Gaspedal und die Bremse beim Auto betätigen. Meistens kommt das Fahrzeug ins Stocken und säuft letzten Endes ab. Dann ist für einen Moment Ruhe und gibt mir Raum zum Nachdenken. Doch kaum bin ich auf der Reise zu mir selbst, kommen die Gedankenaffen und Unsicherheiten wieder.
Das ist meistens der Moment, wenn ich mir eingestehen muss, dass ich meiner inneren Stimme meistens gar nicht genau zuhöre und ihr obendrein noch mit all meinen tollen Ideen und Plänen ins Wort falle, weil ich mal wieder was interessantes im Medienwald entdeckt habe.
“Es wäre doch echt cool Fantasy-Bilder zu malen, mir dazu Geschichten auszudenken und daraus dann Youtubevideos zu machen."
“Oder was ist mit einem Kunstkalender?”
“Wollen wir nicht doch Bücher illustrieren?”
“Ich habe da eine neue Storyidee!”
“Lass uns mal einen Online-Malkurs machen und so richtige Gemälde malen. Bunt, Träumerisch und Surreal.”
"Oder doch einfach nur zum Roman Fuchsfeuer malen? Ich wollte schon lange die Charaktere zeichnen... oder doch nur den Polarfuchs?”
"Meine Art Journals will ich auch füllen.”
“Lass uns mal Gouache ausprobieren, hab da ein paar Videos gesehen…”
“Und Social Media müssten wir auch mal wieder bedienen… Was ist denn mit Pinterest? Ich liebe es zu Pinnen!”
“Ja… Journaling ist toll, aber wollen wir das nicht noch hübsch gestalten?”
“Und ganz einmal, abgesehen von allen Ideen, habe ich noch eine Menge Bastelprojekte.”
Irgendwann hat meine innere Stimme dann berechtigter Weise die Faxen dicke. Sie schickt mir dann immer solche Impulse wie: Du solltest dringend nochmal “Big Magic” von Elizabeth Gilbert lesen. Die Idee fand ich gar nicht so verkehrt. Hab das Hörbuch auf Youtube entdeckt und es mir angehört. Eine Passage ist mir besonders aufgefallen.
„Stattdessen habe ich dem Universum einfach geschworen, dass ich unabhängig vom Ergebnis für immer schreiben würde. Ich versprach, dass ich versuchen würde, mutig, dankbar und so klaglos wie möglich zu sein. Ich versprach auch, dass ich die Schriftstellerin niemals darum bitten würde, mich finanziell zu versorgen, sondern dass ich mich immer darum kümmern würde - was bedeutete, dass ich uns beide immer unterstützen würde, mit allen notwendigen Mitteln. Ich verlangte keine äußere Belohnung für meine Hingabe; Ich wollte einfach mein Leben so nah wie möglich am Schreiben verbringen - für immer nah an der Quelle all meiner Neugier und Zufriedenheit - und war daher bereit, alle notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um über die Runden zu kommen.“
Autsch!
Der saß.
Diese Worte bringen mich jedes Mal zum Nachdenken und dass ich vielleicht ganz und gar nicht ehrlich zu mir selbst bin. Ja… Ich habe mich der Kreativität verschrieben und will gerne bis an mein Lebensende kreative Forschung betreiben. Aber muss ich jedem Impuls folgen? Wie erkenne ich, was wirklich mein Weg ist und was umgesetzt werden möchte? Ich weiß es nicht. Manchmal fühle ich mich wie eine Elster, die schimmernden und verlockenden Dingen hinterher hüpft. Dabei schüttle ich immer wieder mein schlechtes Gewissen heraus, dass ich mich nicht einer einzigen Sache verschreiben kann. Gerade bin ich in meiner kreativen Forschung an einem Punkt angekommen, wo mich vieles frustriert, weil ich zu viel anfange und wenig beende. Impulsive Kreativität ist Fluch und Segen zugleich. Das kannst du mir glauben.
Was kann also für ein wenig Einsicht helfen?
Meditation
Morgenseiten/Journaling
Selbstbeobachtung
Austausch mit Vertrauenspersonen
Spaziergänge (ohne Musik oder Hörbuch auf den Ohren)
QiGong
Traumtagebuch
Konsultieren eines Psychotherapeuten um einmal Ordnung im Kopf zu schaffen
Kreativsein
Mediendetox
Hab alles schon durch. Wobei mir Meditieren echt schwerfällt. In mein inneres Universum einzutauchen ist faszinierend und beängstigend zugleich. Was ich da wohl finde? Diese Themen kreativ aufzuarbeiten, fällt mir hingegen viel leichter. Ich weiß, dass mein Sinn des Lebens “kreativsein” und “lehren/inspirieren” ist. Aber in welcher Form, bin ich am erforschen.
Und dahingehend sind Schreibaufgaben in den Schreibgruppen, die ich besuche, ein wahrer Segen. Oftmals schreiben wir mit einer Zeitangabe und die lässt wenig Raum für intensive Grübelei. Das bedeutet, was ich dort meistens schreibe, kommt nicht aus meinem Kopf, sondern aus meinem Herzen. Ich genieße das und es berührt mich.
Ja, Schreiben ist meine große Liebe und doch suche ich mir immer noch andere Gespielinnen. Ich habe keine Ahnung warum. Habe ich Angst mich fest zu binden? Habe ich Angst, dieser Liebe nachzugehen? Habe ich im allgemeinen Angst, mich zu verlieben? Auch darüber denke ich sehr oft nach, da ich mich selbst zum asexuellen Spektrum zähle. Aber das ist ein Thema für ein anderes Mal.
Ich bin, was das angeht, ein Widerspruch in sich. Ich sehne mich nach tiefer Verbindung und Liebe und habe doch Angst davor, mich auf diese Art zu öffnen. Mir diese Liebe und Verbindung als meine Charaktere im Roman zu erschreiben, fällt mir um so vieles leichter. Es ist, als stellt sich ein Schalter um. Sobald ich nicht ich sein muss, fühlt sich alles leichter an. Das habe ich während der Schreibaufgabe des letztens Textoase-Treffens wieder gemerkt.
Schreiben als Fenster zur Seele
Dieses Mal habe ich unsere Runde geleitet. Die Hauptaufgabe habe ich unter das Thema “Prompt-Words” gestellt. Ich habe mir überlegt zur Inspiration, einen Prompt-Words Lostopf zu erstellen. Auf die Zettel habe ich alle Wörter, Themen und Tropes geschrieben, die ich mag und die mich meistens inspirieren. Wenn ich also einmal feststecke oder neue Ideen suche, greife ich einmal oder mehrfach in den Topf und ziehe mir ein paar Anregungen. Nachdem ich sie benutzt habe, kommen sie natürlich wieder in den Topf. In meinem Fall Korb.
Für unsere Schreibübung habe ich drei Zettel gezogen. Aufgabe war es, aus diesen Wörtern, Hinweisen und Inspirationen eine Szene, ein Gedicht oder eine Beschreibung zu schreiben. Dabei war es mir egal, ob wir etwas ganz neues Schreiben oder unsere eigenen Charaktere nutzen.
Folgende Worte habe ich gezogen: Farben - Ruine - eine Stimme
"Eine Stimme” - Mir war sofort klar, dass es für mich nicht um irgendeine Stimme geht, sondern um die innere Stimme. Also habe ich einfach darauf los geschrieben und sie zu Wort kommen lassen. Das ist daraus entstanden:
Ach man.
Das ist wieder einer dieser Momente, in denen ich nicht weiß wohin mit mir. Schon den ganzen Tag verfolgen mich die Gedankenaffen und sorgen dafür, dass ich mich auf nichts konzentrieren kann. Dabei ist meine To-Do-Liste lang und mein Einfallsreichtum an Projekten so ausufernd, dass ich noch ein zweites Leben bräuchte, um alles zu verwirklichen. Ich bin gelinde gesagt, genervt von mir selbst. Es ist Fluch und Segen, so begeisterungsfähig und kreativ zu sein, voller Impulse, die mich wie eine Motte von einem leuchtenden Projekt zum anderen locken. Doch oft verbrenne ich mir an diesen gedankenlosen Ausflügen die Flügel - okay, in meinem Fall die Finger. Was will ich wirklich? Wer ist Frieda eigentlich? Wer steckt hinter dieser roten Lockenmähne und dem Kopf voller Träume? Sind es das, was ich hinterherjage? Nur Träume? Ein freies, kreatives und unbeschwertes Leben - nur ein Traum? Jeden Tag Farben, nicht nur auf der Leinwand, sondern auch auf der Haut - ein Traum? Das Leben für andere besser machen zu wollen, sie wieder der Magie der Erde und unseres Daseins näherzubringen - ein Traum?
Mal abgesehen davon, solltest du dich vielleicht erst einmal mit deinem eigenen Leben beschäftigen, bevor du in dem anderer Menschen herummalst, meldet sich meine innere Stimme zu Wort. Sie ist ein wenig quietschig, wie ein launisches kleines Mädchen, wie ein helles Gelb, was manchmal ein wenig zu grell erscheint und in den Augen wehtut.
“Ach, bist du auch mal wieder da? Wo warst du, bei den wichtigen Entscheidungen meines Lebens?” Doch was beschwere ich mich? Ist das hier nicht wichtig? Sind das nicht die Themen, die Werte, die ich mit mir herumtrage? Gerade ist mein sonst so farbenfrohes Leben mächtig grau.
Meine innere Stimme schnauft missbilligend. Und Schuld bist du selbst!
Ich stöhne auf, denn ich weiß, sie hat Recht. Ich komme nicht in die Puschen, weil ich mich einfach nicht traue. Es geht nicht darum, die Farben zum Leben zu erwecken und meine Botschaften darin zu verstecken. Es geht vielmehr darum, es der Welt zu zeigen. Will das überhaupt wer sehen? Ist das überhaupt interessant genug? Will ich überhaupt meinen Rückzugsort den Haifischen zum Fraß vorwerfen?
Du übertreibst mal wieder, seufzt meine innere Stimme. Es wird dich schon keiner für verrückt halten.
“Na doch, wenn jemand mitbekommt, dass ich mit mir selbst diskutiere.” Ich kicke frustriert ein Steinchen vor mir her. Das Moos ist leichtem Geröll gewichen, als ich den befestigten Weg hoch zur alten Ruine folge. Ich kann sie von hier aus schon sehen, wie der helle Stein in der Nachmittagssonne regelrecht leuchtet - als wolle er mich anziehen. Als rufen mich die Überreste einer längst vergangenen Zeit. Ich bin sehr oft hier oben, vor allem, wenn mir in meinem Wohnatelier die Decke auf den Kopf fällt und mich die Gedankenaffen im Griff haben. Mein Blick wandert rastlos durch die Landschaft. Es ist komisch. Wie immer ist keiner hier. Das ist so unlogisch, schließlich ist der Ort nicht weit entfernt und das Wetter perfekt für eine kleine Wanderung. Liegt es an mir? Liegt es an dem Ort? Wobei ich die Antwort eigentlich weiß. Es liegt am Ort. Und deswegen treibt es mich auch immer wieder hierher, wenn die Sonne untergeht. Wir beide teilen nämlich ein Geheimnis. Oder anders gesagt, die Überreste der Kapelle haben sie mit mir geteilt. Und vielleicht spüren das die anderen Menschen und trauen sich nicht her. Es gibt genügend Geschichten über Spuk zwischen den alten Gemäuern. Aber Gespenster habe ich hier noch nicht gesehen. Zumindest keine klassischen. Vielleicht sind es nur Lichter in der Atmosphäre, aber diese Farbspiele sind bestimmt nicht von dieser Welt. Und genau das ist es, was mich immer wieder inspiriert.
Ganz recht, erklingt die quietschige Stimme.
Die letzten Sonnenstrahlen spiegeln sich in dem zerbrochenen Fensterglas, die wenigen Überreste, die der Holzrahmen immer noch fest im Griff hat. Die farbenfrohen Lichtstrahlen bündeln sich in einem Punkt direkt vor mir. Wärme steigt in mir auf, als fließen diese Strahlen durch mich hindurch. Es surrt und zischt um mich herum als der Farborb vor mir anschwillt und feine Farbwellen von sich ausstößt. Als schweben Tintentropfen durch Wasser. Auch wenn ich dieses kleine Wunder schon sooft gesehen habe, halte ich ganz fasziniert den Atem an, während die bunten Energiewellen mich einschließen. Ich lächle als das Surren nachlässt. Meiner inneren Stimme in dieser Form gegenüber zu stehen, erfüllt mich jedes Mal mit einer ganz großen Ehrfurcht, aber auch Dankbarkeit. Die Welt ist voller Magie und voller Farben für alle, die sie sehen wollen. Das Einzige, auf das sie hören müssen, liegt in ihnen verborgen.
Hallo, schön dich wiederzusehen, erklingt die Mädchenstimme wieder. Gut, dass du dich wieder besinnst. Wir kriegen das schon hin. Ich kann mir nicht helfen. Jedes Mal, wenn ich sie höre, stelle ich mir vor, wie ich meinem inneren Kind gegenüberstehe.
“Hallo”, erwidere ich lächelnd und strecke die Hand aus. Eine bunte, schimmernde Energiewelle reckt sich mir entgegen und umschließt mein Handgelenk. “Hallo ich.”
Jetzt wo ich diese Szene noch einmal gelesen habe, wird mir bewusst, wie ich trotz großer Umwege meiner inneren Stimme irgendwie gefolgt bin, auch wenn ich meine, sie nicht immer zu hören. Manchmal genügt es auch, sie zu spüren.
Ich wollte als Mediengestalterin für ein cooles Magazin arbeiten, weil ich Freude daran habe Gestaltungselemente von A nach B zu schieben und Fotos zu bearbeiten. Heute arbeite ich für das Bastelmagazin kreativ & bunt.
Ich wollte als Bastler schon immer eigene Stempel designen, bewunderte all die amerikanischen Designer. Auch das kann ich bei kreativbunt tun.
Ich wollte schon immer ein Buch illustrieren. Auch das habe ich im Rahmen eines Schreibwettbewerbs getan, um meine Scheidung zu verarbeiten. Zudem habe ich eine ganze Anthologie mitgestaltet.
Ich bin ein riesiger Harry Potter und Sailor Moon Fan und träume von einem eigenen Buchuniversum, mit Magie, real wirkenden Charakteren und Leben, die die Leser in ihren Bann ziehen. Mit Geschichten nicht nur das Leben, sondern auch die Kreativität zu feiern. Und auch daran arbeite ich gerade und habe den ersten Band geschrieben. Ich liebe es und gehe darin auf, kann es gar nicht erwarten, die Geschichte weiter auszugestalten und es mit anderen zu teilen. Dazu bin ich sogar in einen queeren Buchclub und eine queere Schreibgruppe eingetreten und nehme dadurch wieder mehr am realen Leben teil. Das ist weit aus meiner Komfortzone.
Wenn das mal keine Anzeichen für den Weg sind, auf dem mich meine innere Stimme leiten möchte.`Aber warum möchte ich immer mehr, kann ich nicht mit dem zufrieden sein, was ich habe? Aus Angst mich fallen zu lassen und mich einer Sache hinzugeben? Aus Angst vor Erfolg? Angst davor, der Ernsthaftigkeit einer Sache nicht gewachsen zu sein?
Ja. Die Antwort ist Angst. Verlustangst. Angst davor, dass das, was ich habe, irgendwann nicht mehr da ist und ich etwas anderes brauche, was mich erfüllen könnte.
Und da kommt ein weiteres Problem auf, gegen das unsere innere Stimme schlecht ankommt. Wir sind zu oft mit unseren Gedanken in der Zukunft, anstatt einfach den Moment zu genießen. Ich denke immer daran, was ich aus meinem kreativen Schaffen machen kann, anstatt einfach kreativ zu sein, um der Kunst Willen.
Einfach mal die Magie wirken lassen.
Einfach mal sein.
Einfach mal genießen, wie die Farbe zerfließt, oder die gelungene Romanszene immer und immer wieder lesen.
Einfach mal mir eingestehen, dass ich tolle Sachen mache und mich daran erfreuen.
Einfach mal machen.
Deine innere (kreative) Stimme ist wertvoll.
Atme tief durch und lausche in dich hinein. Vielleicht schwingt im fließenden Sauerstoff ein Flüstern oder ein Gefühl mit. Auch, wenn es gegen alle Konventionen geht, denen du bisher gefolgt bist, nimm diese leisen Zeichen wahr. Denn das bist du. Das ist dein wahrer Kern. Und wenn du diesem anderen Selbst gegenübertrittst, öffne dich, lächle und begrüße es mit einem:
“Hallo ich.”