Ich bin mehr als man sieht

Ich bin mehr als man sieht und ich wachse in meine Richtung. Aber wer bin ich eigentlich und wohin möchte ich wachsen? Diese Fragen sind meistens nicht so leicht zu beantworten, doch es gibt ein paar kreative Hilfsmittel, wie das Art Journaling, die den inneren Kompass neu ausrichten und den Selbstwert pflegen können.

Wachsen können nicht nur Pflanzen

Ich bin ein Kopfmensch und habe sehr gerne die Kontrolle. Am liebsten möchte ich alles planen und natürlich auch genauso umsetzen. Doch da gibt es ein Problem: Unverhofft kommt oft. Selten läuft etwas nach Plan und wenn ich das dann auch noch zerdenke, ist nichts gewonnen, sondern nur wertvolle Zeit verschwendet. Wenn das noch nicht reicht, gesellt sich der Perfektionismus mit dazu und dann kommt es oftmals zum Stillstand. Und wenn ich eines nicht möchte, dann ist es keine Entwicklung in meinem Leben zu sehen. 

Meine Vorstellungskraft ist sehr groß, ich habe so viele Bilder im Kopf und kreative Ideen sind immer da, doch selten setze ich mal etwas um. Warum eigentlich? Was hindert mich daran? Die Antwort ist klar. Meistens bin das ich! Ich halte mich oft klein, weil ich mir selbst viel zu wenig zutraue, weil ich meine Kreativität nicht so wertschätze, wie ich eigentlich möchte. Immerzu schleichen sich dieselben Gedanken in meinen Kopf:

  • Was, wenn keiner meine Kunst sehen will?

  • Was ist, wenn es niemanden interessiert?

  • Die anderen kommen sehr viel schneller voran.

  • Die anderen halten mich bestimmt für komisch.

  • Das wird doch niemals so wie in meiner Vorstellung. 

  • Die anderen machen es total anders als ich. Mache ich das nicht richtig?

  • Woher soll ich die Zeit nehmen?

Das ist nur ein Ausschnitt meiner Selbstzweifel. Wir leben miteinander, doch eigentlich möchte ich meine Dauergäste auch langsam mal wieder verabschieden. Also lerne ich. Dich selbst zu beobachten und zu verstehen, wie du tickst, ist der erste Schritt. Du kannst nur etwas verändern, wenn es dir bewusst ist.

Das Gute am Geist ist: er ist flexibel und formbar. Das bedeutet, dass auch du und ich wachsen und uns weiterentwickeln können. Vor allem durch Selbstbeobachtung kannst du viel über dich selbst lernen. Du entdeckst vielleicht ungesunde Gewohnheiten oder eben immer wiederkehrende Gedanken und Zweifel. 
Beim Romanschreiben nennt man das den Konflikt, ohne den keine gute Geschichte auskommt. Die Figur wünscht sich etwas, aber es gibt auch etwas, das sie daran hindert. Oftmals handelt es sich um Ängste oder Glaubenssätze, die wir seit Kindestagen mit uns herumschleppen. Desire vs. Fear. Natürlich kann auch das Umfeld dich daran hindern, deine Ziele zu erreichen, doch meistens müssen du und ich uns den Schuh selbst anziehen.
Auch ich schlage mich damit herum, bin immerzu hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, Autorin und Künstlerin zu sein. Es verbietet mir keiner, beides zu sein, dennoch ist das alles leichter gesagt als getan. Wenn ich an meinen Romanen schreibe, kann ich nicht Malen und umgekehrt. Der Name meiner kreativen Forschung lautet “Zwischen Farbe und Wort”. Bisher dachte ich immer, dass damit meine ständige Pendelei zwischen Malen und Schreiben gemeint ist. Aber das ist nur die Spitze vom Eisberg. Denn weißt du, was des Pudels Kern eigentlich ist?

Auch wenn ich viele meiner eigenen Gedanken oder Erfahrungen mit in meine Romane webe, sind es immer noch Geschichten, fiktive Welten, mit erdachten Figuren. Deswegen fällt mir das Schreiben auch so leicht. Ich muss nicht viel von mir preisgeben, oder Energie in die entsprechende Handlung investieren. 
Anders verhält es sich bei meiner Kunst. Ja, dort kann ich auch erdachte Welten erschaffen, aber für mich ist Kunst der direkte Spiegel zur Seele und deswegen habe ich Angst, mein fantasievolles, spirituelles und surrealistisches Ich nach vorne zu bitten und es sich ausleben zu lassen.
 

Nun verrate ich dir mal ein Geheimnis: Viele meiner Romanfiguren machen Dinge, die ich gerne tun würde, aber zu feige bin, sie selbst in der Realität anzugehen. Deswegen sind meine Romane wohl auch so umfangreich. Ich lebe sie voll und ganz aus.
Mir das einzugestehen, ist hart. 
Loslassen.
Mich fallen lassen.
Mein Herz wirklich öffnen. 
Die wahre Anke durch ihre Kreativität sprechen lassen. 
All das sind Dinge, die mir schwerfallen, aber nach denen ich mich sehne. Doch habe ich Angst vor dem, was ich entdecken werde, wenn ich tiefer in mein inneres Universum eintauche. 
Eines ist mir jedoch bewusst und diese Themen erforsche ich auch in meinen Romanen: Das Leben ist definitiv zu kurz, um es nach jemandem anderen zu leben oder sogar jemand anderes zu sein. Die Uhr des Lebens läuft gegen uns und ich - für meinen Teil - möchte es mit Dingen füllen, die mir wirklich entsprechen.

Das Ziel unseres Lebens ist es glücklich zu sein. Deswegen tue das, was richtig ist und nicht was einfach scheint.
— die kreative Forscherin

Art Journaling - Kunst und Schreiben als Therapie

Dabei hilft mir das Art Journaling - Kunsttagebuch. Ich habe es im Rahmen meiner Arbeit bei kreativbunt kennen und lieben gelernt. Ich war schon immer fasziniert von dieser Art des Kreierens. Schöne Kunst mit inspirierenden Worten verbunden. Egal ob mit Farbe, Skizzen oder Collage - Ziel ist es, sich auszudrücken… Gedanken, Emotionen oder Wünsche festzuhalten. Den Kern eines Themas verbildlichen. Sich selbst auf die Seite prägen.
Doch je länger ich mich damit beschäftige, desto mehr wird mir klar, dass Art Journaling viel mehr ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass es helfen kann, zu heilen, der Seele etwas Gutes zu tun und den Geist zu beruhigen. Auch hier bin ich in die Perfektionismus-Falle getappt. Die Bücher und Seiten müssen schön und ansprechend aussehen. Schmeichelnd für die Augen des Betrachters. Mein Ich rückte wieder in den Schatten einer erzwungenen Ästhetik. Leider ist das nicht Sinn und Zweck der Sache. 
Ich weiß das alles. An der Umsetzung hapert es.
Am liebsten würde ich intuitiv, frei und ehrlich in meiner Kunst aufgehen. Mich weniger Bastler, sondern Künstlerin nennen.

Ich bin mehr als man sieht…
— Tamara Egem

 Diesen Impuls gab uns die Gründerin des deutschen Art Journal Clubs bei unserem ersten virtuellen Meet-Up zum gemeinsamen Kreativsein mit auf den Weg. Es gab noch einige andere, aber diese Worte sprachen zu mir. “Bringt doch mal ein Foto mit auf eurer Seite ein.” So persönlich bin ich auf meinen Art Journalseiten noch nie geworden. Das Thema in diesem Monat ist “Aufblühen” - nicht nur floral, sondern auch persönlich. Deswegen gab ich mir einen Ruck und ließ mich auf das Experiment “Ich” ein. 
Was daraus entstanden ist, kannst du auf den Bildern hier im Artikel sehen. Ich habe nicht nur ein Bild von mir eingebracht, sondern auch meine Antwort auf die Frage, was mir Aufblühen gerade jetzt bedeutet. Die Magnolie steht für Wertschätzung, Weiblichkeit, Treue und Stärke. Gerade ersteres ist ein großes Thema für mich. Aufblühen bedeutet, mich und meine Kreativität mehr wertzuschätzen. Genauso wie ich es auf dieser Art Journalseite getan habe. Papier urteilt nicht. Du kannst ganz frei sein. Du musst es nicht mal jemandem zeigen. Wie ein geschriebenes Tagebuch kann auch Art Journaling eine ganz private und persönliche Praxis sein. Was mich angeht, bin ich von dem Wunsch getrieben, anderen Menschen mit meiner Kunst zu helfen und zu inspirieren. Auch wenn das ein nobles Anliegen ist, birgt es ebenfalls die Gefahr, im Kopf zu bleiben... Zu überlegen, was den anderen gerade helfen würde, anstatt bei mir zu bleiben und das umzusetzen, was mir gerade guttut. 

Am Ende geht es doch darum, mich in meiner Kunst wiederzufinden und nicht das, was andere von mir vielleicht erwarten. Art Journaling lernst du nicht einfach. Du findest zum Art Journaling. Einfach, weil etwas in dir der Meinung ist, dass es dieser Ausdruck ist, der dich wachsen lässt. Es geht nicht nur mir so. Ich höre es von verschiedenen Seiten. 

Zwischen Farbe und Wort liegt so viel verborgen - vor allem mein Ich. Und ich mache mich auf die Reise, um es zu entdecken. 

Eine Reise durch mein inneres Universum.

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Wie ist das eigentlich mit der Komfortzone?